C 3 – Architektonische Ordnungs­konzepte in künstlerischen Langzeit­projekten seit 1980
Mit der Kunst auf die Architektur schauen. Kunststudierende arbeiten außerhalb des CalArts Campus, 1971, Courtesy of the California Institute of the Arts Library Archives.

BEREICH C – Ordnen als Entwerfen

C 3 – Architektonische Ordnungs­konzepte in künstlerischen Langzeit­projekten seit 1980

Sina Brückner-Amin , Rembert Hüser

Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main

Mit den scheinbaren Gewissheiten der Architektur geht seit jeher ihre grundlegende Kritik im Medium der Kunst einher. Dass Künstler gebaute Umwelten dekonstruieren und Gegenwelten bauen, die sich gerade nicht an die Regeln halten, sondern deren Trag- und Reichweite in alternativen Szenarien erproben und subvertieren, eröffnet die Möglichkeiten eines Dialogs, der nicht immer wahrgenommen wird. Die sich gegenseitig beeinflussenden Bereiche der Kunst und der Architektur laufen nicht selten konzeptuell sorgsam getrennt nebeneinander her.

Nun lässt sich spätestens seit den 2010er Jahren beobachten, dass in den Wissenschaften stärker konzeptuell eingeholt wird, was in einer ganzen Reihe von künstlerischen Arbeiten in den 1960er und 1970er Jahren bereits angegangen worden war: nämlich die jeweiligen Praxisfelder in so hohem Maße kopräsent zu halten, dass nicht mehr eindeutig auszumachen ist, in welchem Bereich der jeweilige Einsatz erfolgt. Nicht nur wird Kunst vor Ort verstärkt aus der Perspektive von Architektur angegangen, Kunst sieht sich auch und agiert in diesen Arbeiten explizit als ein Teil von Architektur (Wallace/Wendl 2013). Dass Ordnung stärker als Verbund verschiedener Medien, Institutionen und Praktiken denn als deren Differenz zu begreifen ist, ist im Bereich der Expanded-Media-Debatten der aktuelle Stand (Schüttpelz/Gießmann 2015, Michell 2017). Theoretische Explorationen des Verhältnisses von z.B. Architektur und Wissenschaft (Galison/Thompson 1999) oder Architektur und Comic Strips (van der Hoorn 2012) sind als Kollaborationen angelegt.

Vor diesem Hintergrund erscheinen künstlerische Langzeitprojekte seit den 1980er und 1990er Jahren besonders aufschlussreich, die nicht nur den radikalen Medienumbrüchen dieser Jahre, der gesellschaftlichen Popularisierung der Computertechnologie und kommerziellen Nutzung des Internets, der einsetzenden Digitalisierung aller Lebensbereiche Rechnung tragen, sondern sich mit beweglichen Bestandsaufnahmen in verschiedenen Praxisfeldern zugleich positionieren. Lassen sich diese Langzeitprojekte selbst als eine Geschichte der fortwährenden Kollisionen und Neuverhandlungen architektonischer und nichtarchitektonischer Ordnungsnarrative verstehen?

Das Projekt von Rembert Hüser untersucht am Beispiel der Zeichnungen und Filme von Heinz Emigholz (Architektur als Autobiographie, The Basis of Make Up), den Zeichnungen und Architekturmodellen von Mike Kelley (Educational Complex, Candor) und den Zeichnungen von Richard McGuire (Here, The New Yorker Magazine), wie und an welchen Stellen diese drei Langzeitprojekte vorangegangene künstlerische Projekte, die das Durchbrechen des Orthogonalen, der geordneten Schichten (Etagen) des Gebauten oder die Problematisierung der Grenzziehung eines Territoriums durch Architektur zum Thema gemacht hatten, neu akzentuieren.

Das Dissertationsvorhaben von Sina Brückner-Amin interessiert sich für die Bürokratisierung der Kunstpraxis im Universitätssystem von Los Angeles zwischen 1945-1970. Indem Konzepte des „masterplanning“ im legislativen, architektonischen und pädagogischen Bereich herausgearbeitet werden, bindet das Projekt kybernetische Theoriebildung und Rationalisierungstendenzen der Nachkriegszeit zurück an ihre materiellen Spuren und stellt dem Diskurs über die „experimentelle“ und „radikale“ Kunstausbildung in Kalifornien das Radikale der Ordnung entgegen. Die dreigliedrige Struktur ergibt sich aus dem untersuchten Material: Der Master Plan for Higher Education (1945–1960), die gebauten Architekturen der Kunstabteilungen der UCLA und des California Institute of the Arts sowie die darin praktizierte – und damit auch beeinflusste – Kunsterziehung.