Politiken der Stahlarchitektur: Von Arbeiterwohnungen zum Industriellen Bauen für Europa (1954-1976)
Europadorf Aachen, 1956, Fotograf: Willy Pragher © Landesarchiv Baden-Württemberg
14:00-16:00
Goethe-Universität Frankfurt, Campus Bockenheim

Vortrag (intern)

Politiken der Stahlarchitektur: Von Arbeiterwohnungen zum Industriellen Bauen für Europa (1954-1976)

Dennis Pohl

Ein IPE-Stahlbauprofil ist in der Baupraxis eine Selbstverständlichkeit, mit genormten Werten zur Berechnung der entsprechenden Lasten, Festigkeit und Konsistenz. Nur der letzte Buchstabe der Abkürzung deutet darauf hin, dass noch mehr dahintersteckt: Das „E“ steht für Europa und für eine Geschichte der Stahlarchitektur, die für die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) von großem politischen Interesse war. Bereits in den 60er Jahren unternahm die EGKS den Versuch das Bauwesen zu industrialisieren, zu rationalisieren, zu standardisieren, zu normieren und damit die Schwerindustrie Europas zu stützen. Von der EGKS geförderte Stahlarchitektur fungierte als integrales Instrument bei der Gestaltung der politischen Ökonomie Europas in der Nachkriegszeit. Angefangen von Wohnsiedlungen in den 1950er Jahren, um der massiven Migration von europäischen Stahlarbeitern den nötigen Wohnraum zu schaffen, förderte die EGKS ab Mitte der 1960er Jahre Architekturentwürfe, die neben der Industrialisierung des Bauwesens mittels Stahlarchitektur auch eine stärkere europäische Wirtschaftsgemeinschaft schaffen sollten. Diese Arbeit befasst sich mit dem Aufkommen und Scheitern jener EGKS Strategien die Stahlarchitektur zum treibenden Motor Europas zu machen. Obwohl der Stahlwohnungsbau in Europa Ende der 1970er Jahre an Bedeutung verlor, zeigt die Architekturgeschichte der EGKS-Stahlnormen und der Sozialpolitik die zugrundeliegenden politischen und wirtschaftlichen Beweggründe auf, die bis heute fortbestehen.

Dennis Pohl ist im Sommersemester 2022 Fellow im LOEWE Schwerpunkt „Architekturen des Ordnens“. Der Vortrag bildet den Auftakt seines Fellowships.