BEREICH C – Ordnen als Entwerfen
C 1 – Parallelprojektion als ‚symbolische Form’
Chris Dähne , Sara Hillnhütter , Barbara Wittmann
Kunsthistorisches Institut der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Institut für Kunstwissenschaft und Ästhetik der Universität der Künste Berlin
Die Geschichte der Zentralperspektive hat seit Erwin Panofskys berühmtem Aufsatz zur Perspektive als ‚symbolischer Form’ (Panofsky 1927) innerhalb wie außerhalb der Kunstgeschichte einige Aufmerksamkeit erhalten. Insbesondere in den letzten Jahrzehnten haben Kunsthistoriker_innen und Philosoph_innen im Anschluss an Panofskys These ausgiebig darüber diskutiert, in welcher Weise und mit welchen Wirkungen die Zentralperspektive den Status eines verbindlichen Modells der visuellen Wahrnehmung, des Bewusstseins oder der Subjektivität gewinnen konnte. Weitgehend unterbelichtet blieb in dieser Debatte, dass der Einsatz von Abbildungsstrahlen, die in einem Punkt konvergieren, sich keineswegs in allen Bereichen der Künste und Wissenschaften als privilegiertes Medium der Planung durchsetzen konnte. Primär etablierte sich die Perspektive in der Bildenden Kunst als (vermeintliches) Äquivalent zur einäugigen Raumwahrnehmung; in den Wissenschaften, den Ingenieurskünsten und der Architektur dominieren schon in der Frühen Neuzeit (und bis heute) verschiedene Formen von Parallelprojektion.
Das Teilprojekt zielt auf eine historisch möglichst breite, vergleichende Untersuchung der unterschiedlichen Formen der Parallelprojektion in Architektur, Kunst und (Ingenieurs-) Wissenschaften. Orthogonal-projektionen, Isometrien und alle anderen Verfahren der Parallelprojektion verlagern den Fluchtpunkt der Strahlen ins Unendliche, so dass die Projektionsstrahlen näherungsweise parallel verlaufen. Die so erzeugten Bilder gewährleisten eine größere Formtreue, indem sie die aus der Konvergenz der Projektionsstrahlen resultierenden maßverfälschenden Tiefendefekte der Fluchtpunktperspektive ausschalten. Parallelprojektionen bieten daher mehr oder weniger abstrakte räumliche Darstellungen, aus denen Maße direkt entnommen werden können. Es handelt sich also um operative Bilder, die unser Sehen, Denken und Handeln gleichermaßen ermöglichen wie herausfordern.
Das Forschungsvorhaben von Chris Dähne untersucht die Axonometrie als graphisches Verfahren der Raumordnung zwischen analogen und digitalen Medien. Auch zeitgenössische Architektur bedient sich des tradierten Verfahrens, dessen Rolle bei der Produktion von Architektur gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung zu hinterfragen ist. Inwieweit ist die Axonometrie generativ am Entwurfsprozess beteiligt und welche Rolle spielt der Computer dabei?
Bereits erschienene Veröffentlichungen zum Projektthema (Auswahl):
Werkzeuge des Entwerfens, hg. von Barbara Wittmann, Schriften des Internationalen Kollegs für Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie, Bd. 30, Zürich: diaphanes, 2018.
Planbilder. Medien der Architekturgestaltung, hg. von Sara Hillnhütter, Bildwelten des Wissens, Bd. 11, Berlin: De Gruyter, 2015.
Dähne, Chris: „Die analogen Bilder digital entworfener Architektur“, in: Wolkenkuckucksheim|Cloud-Cuckoo-Land, Zeitschrift zur Theorie der Architektur: Mediale Praktiken des architektonischen Entwerfens, Heft Nr. 40, 2020 (im Druck).